ERRÓ – GRIMACES864 Porträts aus dem Film „Grimace“, 1967
Hrsg. v. Axel Heil und Julien Martial,
mit einem Interview mit Erró, Texten von
Margrit Brehm und Jean-Jacques Lebel
sowie einer Chronologie von Danielle Kvaran,
erschienen im Ernest Rathenau Verlag, Karlsruhe 2018
288 Seiten, Text deutsch, Hardcover
304 × 143 × 28 mm, 1020 gr., Duplex/Farbe
ISBN 978-3-946476-06-1
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Für die Akteure in Grimace gab es keine Vorbilder, an denen sie sich orientieren konnten, keine Vorbereitungszeit, kein Setting, welches das Spiel
von der Realität trennt. Aus dem Stand begannen sie zu improvisieren, verzogen sie das Gesicht, streckten die Zunge heraus oder rollten mit den Augen.
Einige der Künstlerinnen und Künstler, die Erró einlud, für ihn Grimassen zu schneiden, zählen heute zu den Heroen der Kunst des 20. Jahrhunderts,
andere sind kaum noch bekannt. Starkult und Rankings in der Kunst gab es damals noch nicht, und selbst wenn, wären für Erró Erfolg oder Berühmtheit
nicht maßgeblich bei der Auswahl seiner Protagonistinnen und Protagonisten gewesen. Er filmte diejenigen, mit denen er befreundet war, die er kannte
oder die er zufällig traf, etwa auf der Biennale in Venedig oder bei einer Eröffnung irgendwo zwischen Paris und New York. Gefilmt wurde, wo immer man
gerade war und das Licht für die Aufnahme mit der Handkamera ausreichend schien. Im Vergleich zu heute waren die Kunstszene und erst recht die Orte,
an denen sie sich versammelte, noch überschaubar. Wie international sie gleichwohl war, zeigt die lange Liste der Beteiligten, die auch Hinweise auf
die Verbindungen zwischen den Generationen gibt. Über Jahre sammelte Erró die einzelnen Porträts; manche Sequenzen dauern nur wenige Sekunden,
andere fast zwei Minuten – bis das Lachen die Hand erreicht, die die Kamera hält, und Bilder zum Wackeln bringt …
Erró ist ein leidenschaftlicher Bildermacher. Früh hat er im heimischen Island, wo er 1932 als Guðmundur Guðmundsson geboren wurde, begonnen, eigene Bilder
von der Welt zu malen, und noch heute, mit 86 Jahren, bestimmt die Arbeit an Collagen, Aquarellen und Gemälden sein Leben. Als Maler beunruhigender Bildwelten
hatte der ab 1958 in Paris lebende, aber nomadisch durch die Welt reisende Künstler schon Bekanntheit erlangt, als er in den frühen 60er Jahren den Film als
neues Medium für seine künstlerische Praxis entdeckte. Die Jahre zwischen 1964 und 1968, in denen seine Filme entstehen, sind zugleich außergewöhnlich
und entscheidend. Die Umwälzungen in Kunst und Gesellschaft fordern ihn als politischen Menschen und Künstler heraus. In seiner Autobiographie schreibt er,
er habe das Gefühl gehabt, es brauche mehr als Malerei auf Leinwand, um die Welt zu verändern.